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Modellvorhaben BITE

Anforderungsprofil

für die Produktgruppe

Windows-Anpassungen für Blinde
Version 2.0 vom 15.12.1997

A. Vorbemerkung
Im folgenden werden Qualitätsanforderungen für den beruflichen Einsatz der Produktgruppe "Windows-Anpassungen für Blinde" beschrieben. Es werden möglichst allgemeine, nicht auf einzelne Berufsgruppen beschränkte Anforderungen aufgestellt. Die erwünschten Leistungsmerkmale werden in allgemeiner Form beschrieben, so daß nachprüfbare Indikatoren je nach dem Stand der Technik abzuleiten sind.
In der vorliegenden Form sind die Anforderungskriterien die Grundlage für die Entwicklung weiterführender Instrumente:
  1. Instrumente zur Produktprüfung, die je nach dem Stand der Technik fortzuschreiben sind, und
  2. Instrumente zur Ermittlung individueller, person- und arbeitsplatzspezifischer Anforderungen an das Produkt, die eine individuelle Gewichtung der allgemein formulierten Anforderungen erlauben.
Beide Instrumente gemeinsam erlauben die gezielte Auswahl des für den einzelnen Arbeitsplatz geeigneten Produkts.
Die Anforderungskriterien wurden auf der Basis des DIN/EN 29421 "Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten" entworfen und in der ersten Version unter wesentlicher Mitarbeit eines Gremiums von Praxisexperten ausgearbeitet. In der vorliegenden Version 2.0 wurden die Erfahrungen aus einer Serie von Produktprüfungen eingearbeitet. Die weitere Fortschreibung aufgrund der Diskussion in der Fachöffentlichkeit wird angestrebt.

B. Rahmenbedingungen
I. Eingrenzungen
Anwendungszweck des Produkts
Die Produktgruppe "Windows-Anpassungen für Blinde" ist eine Zusatzausstattung für Computersysteme, die blinden Personen die Bedienung von Software unter MS Windows ermöglicht. Die Produktgruppe trägt bei zu der Zielsetzung, die behinderungsbedingten Einschränkungen in der Computerbedienung soweit zu kompensieren, daß bei sonst gleichen Voraussetzungen eine mit nichtbehinderten Kollegen vergleichbare Arbeitsleistung erreicht werden kann.

Anwendungskontext
Das Produkt ist ein grundlegendes Hilfsmittel zur Computerbedienung und nicht auf bestimmte Anwendungen begrenzt. Um ein möglichst breites Spektrum abzudecken, werden vor allem allgemeine Aufgaben der Text- und Datenverarbeitung und der computergestützten Informationsbeschaffung berücksichtigt. Es wird davon ausgegangen, daß die Blindenarbeitsplätze in das betriebliche EDV-System integriert sind und nicht isolierte Einzelarbeitsplätze bilden.

Anwender
Als mögliche Anwender des Produkts werden berufstätige Blinde ohne nähere Eingrenzung zugrundegelegt. Weitere Behinderungen werden vorerst nicht berücksichtigt.

II. Qualitätsmaßstäbe
Ausstattung
Die Produktgruppe "Windows-Anpassungen für Blinde" umfaßt modulare Systeme von Hard- und Software, wobei eine zentrale Steuerungssoftware, auch Screen Reader genannt, mit speziellen Ein-/Ausgabegeräten zu einem blindengerechten Zugangssystem zur Computernutzung verbunden ist. Der Einsatz unter Arbeitsbedingungen erfordert in der Regel die Ausstattung mit einer Braillezeile und einer Sprachausgabe. Weitere Medien wie Spracheingabe, Brailledrucker, dynamisches Flächendisplay, Bildschirmvergrößerung etc. sollen nach den individuellen Umständen ergänzt werden können. Die Steuerungssoftware soll die verschiedenen Medien sinnvoll integrieren und eine individualisierte Nutzung ermöglichen. Das Marktangebot umfaßt sowohl offene, aus Komponenten verschiedener Hersteller zusammengesetzte, als auch geschlossene Zugangssysteme.

Das Produkt wird üblicherweise in Arbeitsplatzsystemen eingesetzt, die als Kern einen Personalcomputer, ggf. mit Anschluß an ein Rechnernetz oder Terminalsystem, sowie diverse Peripheriegeräte und diverse Software umfassen. Eine weitgehende Kompatibilität mit handelsüblicher Hard- und Software ist erforderlich. Die allgemeinen Qualitätsanforderungen an Produkte der Informationstechnik, wie in den entsprechenden technischen Normen niedergelegt, sind einzuhalten. Diese sind im Teil 1 der Anforderungen an das Produkt in den Abschnitten Kompatibilität, Betriebssicherheit, Produktinformation und Service ausgeführt.

Funktionalität
Die erforderliche Funktionalität des Produkts konkretisiert sich in der Praxis an den von den blinden Anwendern zu lösenden Arbeitsaufgaben. Dies sind Aufgaben der Text- und Datenverarbeitung im weitesten Sinne und auf allen Qualifikationsstufen. Eine Systematisierung nach Berufsgruppen empfiehlt sich nicht, da die Aufgabenstrukturen klassischer Büroberufe sich aktuell in Auflösung befinden. Relevante Trends sind insbesondere der Wandel von hoch arbeitsteiligen zu mehr ganzheitlichen Aufgabenstrukturen, wovon insbesondere die klassischen Schreibarbeitsplätze betroffen sind, und eine Steigerung der Ansprüche an die optische Gestaltung der Arbeitsergebnisse. Es ist davon auszugehen, daß nur solche Blindenarbeitsplätze Bestand haben werden, die den Wandel nachvollziehen können. Demnach sind die mit der Hilfstechnik zu lösenden Aufgaben so zu beschreiben, daß sowohl die derzeitigen typischen Blindenberufe als auch der absehbare Entwicklungsbereich repräsentiert sind. Die Funktionalität der Hilfsmittel ist anhand realistischer Musteraufgaben zu überprüfen. Die Arbeitsaufgaben werden nach der zusammengefaßten Praxiserfahrung von Software-Trainern und fortgeschrittenen Anwendern ausgewählt.

Als gemeinsamer Nenner aller Arbeitsaufgaben kann die Nutzung von Standardsoftware angesehen werden. Zu den einzelnen Bereichen der Text- und Datenverarbeitung wird jeweils ein Kanon der meistverbreiteten Standardsoftware definiert. Die Ausprägung der Softwarenutzung wird im Teil 2 der Anforderungen an das Produkt nach den Aspekten Anwendungsbreite (2.1), Anwendungstiefe (2.2 und 2.3) und selbständige Systembetreuung (2.4) gegliedert. Unter Anwendungsbreite ist die Zahl der am Arbeitsplatz anzuwendenden Programme zu verstehen. Die Anforderungen an die Anwendungstiefe werden in zwei Stufen unterteilt: Nutzung von Grundfunktionen sowie selbständige Anwendung fortgeschrittener Funktionen. Selbständige Systembetreuung als besondere Ausprägung der Anwendungstiefe ist dann erforderlich, wenn eine professionelle betriebliche Systembetreuung nicht zur Verfügung steht. Die Anwendung dieser Systematik auf einzelne Arbeitsplätze erfordert eine individuelle Gewichtung. Anwender mit geringer Anwendungsbreite und -tiefe und umfassender betrieblicher Systembetreuung sind z.B. Schreibkräfte oder Telefonisten in größeren Betrieben und Verwaltungen. Anwender mit großer Anwendungsbreite und -tiefe und geringer Unterstützung in der Systembetreuung sind z.B. EDV-Spezialisten. Für Sachbearbeiter, Pädagogen, Wissenschaftler dürften sich diese Faktoren nach den individuellen Umständen verschieden zusammensetzen.

Effizienz
Zweck des Produktes ist es, die durch Blindheit bedingten Einschränkungen in der Bedienung von Software unter MS Windows weitmöglichst zu kompensieren. Hierzu gehört zum einen die Darstellung der Information in einem oder mehreren durch die Restsinne (Tastsinn, Gehör, Kinästhetik, Sehrest) wahrnehmbaren Medium. Weitere Unterstützung ist erforderlich in der Erschließung der Informationsstrukturen ("Überblicksdarstellung") und in der Beobachtung von Bildschirmereignissen außerhalb des aktuellen Wahrnehmungsfokus. Zur Beschreibung von Effizienzkriterien werden, in Ermangelung einer wissenschaftlichen Systematik ergonomischer Aspekte bei Blindheit, die Qualitätsmaßstäbe der allgemeinen Software-Ergonomie angewandt. Diese werden in den Aspekten Vollständigkeit der Information, Steuerbarkeit, Individualisierbarkeit und Lernförderlichkeit im Teil 3 der Anforderungen an das Produkt ausgeführt. Die Kriterien werden nach der zusammengefaßten Praxiserfahrung von Software-Trainern und fortgeschrittenen Anwendern in allgemeingültiger Form beschrieben und mit praktischen Beispielen illustriert.

In den Musteraufgaben werden Effizienzkriterien in abgestufter Form berücksichtigt. Grundsätzlich wird gefordert, daß mit dem Hilfsmittel alle Bedienwege, die die Anwendung zur Verfügung stellt (z.B. Mouse, Tab, Tastenkürzel), genutzt werden können. Hiermit ist gewährleistet, daß selten genutzte Funktionen aufgefunden und bedient werden können, und daß bei häufiger genutzen Funktionen die Ausbildung individueller Arbeitsweisen möglich ist. Erweiterte Anforderungen werden an die effiziente Bedienbarkeit grundlegender Softwarefunktionen gestellt. Diese sollen möglichst einfach und mit multimedialer Unterstützung durch das Hilfsmittel ausführbar sein. Eine normative Bestimmung von "einfach" hinsichtlich der Bedienung von Software durch Blinde und Sehbehinderte ist derzeit nicht möglich. Zielvorstellung ist, daß rasches Arbeiten möglich sein soll, bzw. die Funktion für Personen mit verschiedenen Lernvoraussetzungen sicher beherrschbar sein soll. Die von den Produkten angebotenen Bedienstrategien sollen deskriptiv erfaßt werden.

C. Anforderungen an das Produkt
Die Anforderungen an das Produkt sind im Folgenden nach Anregungen aus DIN/EN 29421 Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten gegliedert, insbesondere aus Teil 10 - Grundsätze der Dialoggestaltung - und Teil 11 - Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit. Es sind jeweils Anmerkungen beigefügt, wie die gewünschten Produkteigenschaften festgestellt werden können. Hierzu gehören Anwendungsbeispiele, Beschreibungen des gewünschten Erfüllungsgrads und Empfehlungen zu Erhebungsmethoden. Die Anmerkungen haben den Charakter von Illustrationen und sind je nach dem Stand der Technik in nachprüfbare Indikatoren umzusetzen.

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Erstellt: 07.03.1998 16:40   Aktualisiert: 14.12.1998 21:45
Autor: Brigitte Bornemann-Jeske et al.
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Modellversuch im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung