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Infobrief


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Bemerkens-
wertes zur Barrierefreien Informations-
technik

bit.infobrief Nr. 6 vom 08.07.2004

Liebe Kollegen,

zwei Jahre nach Erlass der BITV ziehen wir erneut Résumé, und staunen über das Erreichte.


1. Mehrwert erkannt

"Mehr Wert für alle" ist der Titel des Symposiums zum Barrierefreien Internet, das in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfand. Eingeteilt in drei Gruppen - Entscheider, Webdesigner, Nutzer - wurde der Stand der Technik reflektiert und jede Menge Fachwissen verbreitet. Kurz gesagt: Im Prinzip ist heute Barrierefreies Internet machbar, ohne damit auf ein ansprechendes Design verzichten zu müssen. Entscheider sehen immer deutlicher die wirtschaftlichen Vorzüge. Es gibt nur nicht genügend Fachleute, die es umsetzen können.

Standardgerechte und barrierefreie Gestaltung wurde auch von der Tchibo Holding als Mittel der Qualitätssicherung erkannt. Sie gaben bei SinnerSchrader, einer der großen Webagenturen, einen barrierefreien Relaunch ihrer Website in Auftrag. Das Ergebnis ist noch nicht völlig perfekt, doch die Experten anerkennen die Bemühung: "Barrierefreiheit braucht Namen", sagt der Barrierekompass in einem lesenswerten Kommentar. Es geht schließlich um die Bekanntheit des Themas in der Wirtschaft.

Ein wichtiger Multiplikator ist auch der DMMV Deutsche Multimedia Verband, der jetzt BVDW Bundesverband Digitale Wirtschaft heißt. Im April gründete der DMMW einen eigenen Arbeitskreis für barrierefreies Internet. Im jährlichen Design-Award des DMMV wurde bereits zum zweiten Mal der Sonderpreis für Barrierefreiheit ausgeschrieben. Diesmal gab es nicht nur Trostpreise - es konnten beachtliche Leistungen ausgezeichnet werden. Gewonnen haben die Bundeswehr und die NetBank AG.

Zur Ausbildung der Webagenturen in Barrierefreiheit trägt ganz wesentlich das BIK-Projekt bei. Die BIK-Berater bieten neben Tests auch ein Coaching in Entwicklungsprojekten an. Den Mehrwert der Zusammenarbeit erläuterte Xplain, die Webagentur des Norddeutschen Rundfunks, bei der Fachtagung des Hamburger Behindertenbeauftragten am 13. Mai: "Die BIK-Experten kennen nicht nur die technischen Regeln, sondern auch die praktischen Anforderungen der Behinderten. Das erspart uns viele Irrwege."

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2. DIN-Zertifikat

Eine TÜV-Plakette für Barrierefreiheit wünschen sich die Internet-Verantwortlichen im Lande schon lange. "So einfach ist das nicht", sagte AbI, das Aktionsbündnis für barrierefreie Informationstechnik der deutschen Behindertenverbände und Forschungsinstitute. Sie gründeten einen Arbeitskreis, um ihre jeweiligen Prüfverfahren zu sammeln und abzugleichen. Wann es soweit sein wird? Naja, sie arbeiten eben gründlich. In dem geplanten dreistufigen Testverfahren hat jetzt die Empfehlung für erste Vorprüfungstests die Hürden genommen. Die zweite Stufe, der BIK-Kurztest, ist in der Diskussion.

In die Lücke prescht nun DIN CERTCO GmbH und bedient das verständliche Sicherheitsbedürfnis der Informationsanbieter mit seinem guten Namen. Geboten wird ein Zertifikat "Barrierefreie Website - DIN geprüft" mit 1 bis 3 Sternen. Das Zertifizierungsprogramm steht zum Download, ebenfalls die Gebührenordnung.

Die Barrierefrei-Experten sind fassungslos, und analysieren rasch das Angebot. Das Urteil ist eindeutig: "Accessibility light .. eine (teure) Mogelpackung" (Michael Charlier in der Mailingliste W3C-WAI-DE). Da werden von den Regeln der BITV nur die halbautomatisch prüfbaren genommen und auf bis zu 20% heruntergerechnet. Das eigentliche Prüfverfahren wird nicht vorgestellt, das ist offenbar Geschäftsgeheimnis. Darum stellt AbI noch mal klar: "Zur Zeit existiert noch kein standardisiertes Testverfahren, mit dem die Erfüllung ... der BITV bescheinigt werden kann."

Kein Zweifel, dass DIN CERTCO trotz der klaren Zurechtweisung durch AbI sein Geschäft machen wird. Accessibility light ist genau das, was der Markt verlangt. Jedenfalls dort, wo die Message von Verständlichkeit, einfacher Bedienung und technologischer Robustheit noch nicht angekommen ist. Vertrauen wir darauf, dass Qualität sich durchsetzen wird!

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3. Sprechende Websites

"Und wenn jemand nicht lesen kann?" - Diese Frage machte kürzlich in den Mailinglisten auf europäischer Ebene die Runde. "Dann muss man es ihm eben vorlesen", ist die aktuelle Antwort, vorausgesetzt derjenige kann hören. "Man" ist hier technisch gemeint: Es geht um diverse Tools, PlugIns, Dienste, die eine Website zum Sprechen bringen.

Wie das gehen kann, zeigt die Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung auf ihrer BIENE-prämiierten Website "Lebenshilfe-angesagt". Die Seite hat viele Bilder und wenige kurze Texte in leichter Sprache. Um den Text zu hören, klicke ich auf ein freundliches Gesicht mit Hand am Ohr. Dann liest mir eine Dame mit freundlicher, ruhiger Stimme den Text vor.

Welche Verfahren sind noch denkbar? - Das BMGS Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit probiert es aus. Ein Lautsprecher auf der Startseite verweist auf das neue Angebot "Internet hören", das besonders Menschen mit Leseschwächen, Ausländern etc. helfen will, "damit sie schneller die häufig komplizierten Texte verstehen können." Geboten wird eine Sprachausgabe, die jede Seite der Website auf Anforderung automatisch vorliest. In einem anonymen Fragebogen wird um Rückmeldung gebeten, wie gut man das Angebot nutzen kann.

Das BMGS-Angebot ist gut gemacht. Die synthetische Stimme ist angenehm und gut verständlich, wozu auch die saubere Aufbereitung der Inhalte beiträgt. Aber ehrlich gesagt - wer braucht das wirklich? Ein Legastheniker oder ein Ausländer mit Hochschulreife könnte einen Vorteil davon haben, einen komplizierten Text beim Lesen synchron mithören zu können. An sich ist aber das Hören auf eine einfachere Sprache angewiesen als das Lesen. Wer kennt nicht die anstrengenden abgelesenen Vorträge? Wer hat nicht schon mal einen interessanten Radiovortrag nachgelesen und sich gewundert, wie simpel er jetzt erscheint?

Die Sehbehinderten und Blinden haben klar gestellt, dass sie keinen Vorlesedienst für Internetseiten brauchen, und schon gar nicht, wenn damit die sorgfältige barrierefreie Gestaltung nach BITV eingespart werden soll. Die Sehbehinderten und Blinden haben ihre technischen Hilfen, die Screenreader und Webreader. Damit können sie nicht nur die Texte abhören, sondern auch die Website und den ganzen Computer bedienen. Mehr brauchen sie nicht, außer natürlich wie gesagt die Einhaltung der BITV.

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4. Dialog im Dunkeln

Ein Reisetipp für verregnete Sommerferientage: besuchen Sie den Dialog im Dunkeln. Die "Ausstellung zur Entdeckung des Unsichtbaren" ist absolut hörens- und fühlenswert. Zu sehen gibt es nichts, denn alles findet in völliger Dunkelheit statt.

Sie bekommen einen Blindenstock in die Hand, ein kundiger blinder Führer stellt sich Ihnen vor, und dann geht es los über Stock und Stein. Unwillkürlich rückt die Gruppe auf Tuchfühlung zusammen. Sie wandern durch einen Park, überqueren eine lärmende Verkehrsstraße, besuchen eine Bar. Wenn Sie dann endlich mit Ihrem Getränk still sitzen und sich voll auf das Gehör konzentrieren können, bemerken Sie vielleicht, wie sehr Sie das alles genießen. Solange bis der erste Lichtschein wieder die Tür anzeigt, da rückt die Gruppe unwillkürlich auseinander. - Das Erlebnis ist nicht nur aufregend, sondern auch lehrreich, und sogar als Managementtraining beliebt.

Der Dialog im Dunkeln ist seit 1988 auf Tour, in diesem Jahr in Leipzig. In Hamburg hat sich die Ausstellung seit 4 Jahren niedergelassen, verbunden mit einem Projekt zur beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen.


Soviel für heute.

Noch einen schönen Sommer wünscht

Brigitte Bornemann-Jeske

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